01.09.2023

Krankenhausvergütung – BSG erweitert Möglichkeit der Abrechnung für stationäre Aufnahme bei Notfallpatient:innen (Urt. v. 29.08.2023)

Die Abrechnung der Leistungen für notfallmäßig eingelieferten Patient:innen kann für Krankenhäuser vor allem dann ein Problem darstellen, wenn nach der Aufnahmeuntersuchung ein Verbleiben im Krankenhaus nicht erforderlich ist oder eine Weiterverweisung an ein anderes Krankenhaus erfolgt. Für letztgenannte Fälle hat der 1. Senat des BSG nun Erleichterungen geschaffen, indem er ausdrücklich teilweise von seinem „Schockraum-Urteil“ vom 18.05.2021 abweicht.

1.   Im jetzt entschiedenen Fall (B 1 KR 15/22 R) wurde der Patient durch den Rettungsdienst notfallmäßig mit dem Verdacht auf Schlaganfall ins Krankenhaus der Klägerin eingeliefert. In der Stroke Unit wurde im Rahmen sofort aufgenommener Untersuchungen (Blut-Untersuchung, Ruhe-EKG, CCT, CT-Angiographie) die Diagnose eines akuten Hirninfarkts links im Bereich des Mediastromgebiets gestellt. 23 Minuten nach Einlieferung wurde die Lyse-Therapie eingeleitet. Weitere 38 Minuten später erfolgte unter laufender Lyse die Verlegung des Patienten zur kathetergestützten Thromboektomie in ein anderes Krankenhaus.

2.   Die Klägerin stellte der beklagten Krankenkasse eine vollstationäre Behandlung in Höhe von 1.086,89 € in Rechnung, nämlich die Fallpauschale nach DRG Nr. B70I (Apoplexie, ein Belegungstag). Die Krankenkasse zahlte zunächst, beauftragte dann aber den MDK, ein Prüfverfahren wegen primärer Fehlbelegung durchzuführen. Der MDK kam zum Ergebnis, es sei nur eine prästationäre Behandlung abzurechnen: Der Behandlungsplan habe keinen Aufenthalt über den Zeitraum von einem Tag und einer Nacht im Krankenhaus der Klägerin vorgesehen. Der Patient sei auch nicht in den stationären Betrieb integriert worden. Die Behandlung habe insgesamt nur ca. eine Stunde gedauert.

Der Chefarzt bei der Klägerin erläuterte hierzu, der Patient habe sich als Schlaganfallpatient im Lysefenster dargestellt und habe daher in jedem Fall einer stationären Behandlung bedurft. Alle erforderlichen Maßnahmen seien gemäß dem im Stroke-Unit-Handbuch der Klinik aufgeführten standard-operating-procedure eingeleitet worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Patient „voll in den stationären Behandlungsverlauf eingegliedert“ gewesen.

Die Klinik änderte ihre Abrechnung nicht. Darauf forderte die Krankenkasse die volle Erstattung ihrer Zahlung und rechnete in dieser Höhe gegenüber einer anderen, unstreitig bestehenden Forderung der Klägerin auf. Diese erhob Klage.

3.   Das Sozialgericht Köln verurteilte die Krankenkasse nur zur Zahlung einer prästationären Behandlung (114,02 €).

Das LSG Nordrhein-Westfalen wies die Berufung der Klägerin zurück.

4.   Das BSG gab der Klägerin in vollem Umfang Recht.

Wie sich aus dem Terminbericht ergibt, hält das BSG dabei zwar insofern an seinem Schockraum-Urteil fest, als eine Aufnahmeuntersuchung zur Abklärung der weiteren Notwendigkeiten noch nicht zwingend bereits selbst die Aufnahme ins Krankenhaus bedeuten soll, auch wenn parallel bereits eine notfallmäßige Versorgung stattfinden müsse und auch kein Zweifel an einer stationären Behandlung überhaupt bestehe.

Abweichend vom Schockraum-Urteil ermöglicht das BSG nun aber bei einer kurzzeitigen Notfallbehandlung im erstangegangenen Krankenhaus bei zeitnaher Verlegung in ein anderes Krankenhaus die Bejahung einer „konkludenten stationären Aufnahme“, und zwar „regelhaft und nicht nur in ganz besonderen Ausnahmefällen“. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass der Einsatz der besonderen Mittel im erstangegangenen Krankenhaus eine hohe Intensität aufweise. Eine stationäre Notfallbehandlung liege „schon dann vor, wenn die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen den intensiven Einsatz von sächlichen und personellen Ressourcen erfordern, wie sie regelmäßig bei der Behandlung in einem Schockraum oder auf einer Schlaganfallstation (stroke unit) zum Einsatz kommen“. Die Abrechnung setze dann die Feststellung des Einsatzes solcher Ressourcen voraus. Die geforderte hohe Intensität zeigt sich für das BSG etwa am „Einsatz verschiedener und in ihrem engen zeitlichen und örtlichen Verbund nur stationär verfügbarer diagnostischer Maßnahmen (…), die ambulant nicht in gleicher Weise regelhaft verfügbar sind“.

Nach diesen Maßstäben habe in der sofortigen Verbringung des Patienten auf die Stroke Unit und die Einleitung schnell aufeinander folgender umfangreicher Untersuchungen eine konkludente Aufnahme in die stationäre Behandlung gelegen. Somit war die Vergütung  - vollstationär - begründet.

 

Plagemann Rechtsanwälte

 

Ansprechpartner:innen:

Dr. Jana Schäfer-Kuczynski, Prof. Dr. Hermann Plagemann

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